Samstag, 6. November 2010

Barschels Mann fürs Grobe

Reiner Pfeiffer, die Schubladenaffäre & Engholms politisches Ende
Glaubt man Pfeiffer so ist er die Unschuld in Person, nur Handlanger, der es aber nicht aushalten konnte was der dunkle Lord (in dem Fall Barschel) von ihm verlangte und daher zur SPD ging um für Gerechtigkeit zu sorgen.
Also das nächste Opfer neben Barschel und Engholm, die nach eigenen Aussagen ja auch von nichts wussten und alle anderen Schuld haben.
Pfeiffer arbeitete längere Zeit bei einer Zeitung in Raum Bremen, dort steigerte er die Auflage einer Zeitung für die er arbeitete von 20.000 auf 280.000 Exemplare, verwarf sich dann aber mit seinem Chef.
Aber jemand mit seinen Qualitäten fand leicht einen neuen Job, so kam er zum Axel Springer Verlag die eine neue Zeitschrift planten, was sich dann aber doch zerschlug. Die Mitarbeiter von diesem Projekt wurden auf verschiedene Abteilungen verlegt und die Anfrage aus Kiel nach einem Mann, der im kommenden Wahlkampf  Barschel in Medienangelegenheiten unterstützen sollte kam da gerade Recht, so wurde man Pfeiffer günstig wieder los.
Im Dezember fängt Pfeiffer dann auch im Landeshaus an und schon einen Monat später, am 9. Januar 1987 will er von Barschel die Aufträge erhalten haben dessen Image aufzubessern. Genau an diesem Tag heuert Pfeiffer via Telefon Privatdetektive an die Engholm bespitzeln sollen. Kam dieser Auftrag wirklich von Barschel, der Pfeiffer kaum kannte? Beauftragte er einen quasi Unbekannten damit den Gegenspieler auszuspionieren oder wuchs das ganze auf Pfeiffers Mist?
In den nächsten Wochen kommt es dann noch zur Steueranzeige gegen Engholm, angeblich auf direkten Befehl von Barschel, dieser wollte eine Kopie der anonymen Anzeige zugeschickt haben und Pfeiffer gab sich auch noch als Engholms Arzt aus und rief bei diesem an um ihn mitzuteilen das er vermutlich das HI-Virus hätte. Dies tat er von einem Telefon aus der Staatskanzlei, hier wurden die Anrufe registriert, womit später nachgewiesen werden konnte von welchem Apparat Engholm aus angerufen wurde.
Engholm beschrieb es mal treffend damit das er sich nicht vorstellen könne das ein Regierungschef es nicht mit bekäme was im Büro nebenan ausgebrütet würde. Wenn ihm das dann nicht genehm ist, würde er dies unterbinden und das dieses unterbinden nicht statt gefunden hätte ist das mindeste was man sagen könne.
Weitere Tricks die von Pfeiffer ausgeführt wurden waren eine gefälschte Pressemitteilung der Grünen, hier hieß es unter der Unterschrift „Grüne: Engholms Taufe eine peinliche Wahlkampfmasche“ das Engholms Wiedereintritt in die Kirche ein „Gipfel der Taktlosigkeit“ sei.
Einzig die falschen Behauptungen, die er unter dem Unabhängigen Wählergemeinschaft Schleswig-Holsteins (UWSH) säte, trugen Früchte. Der UWSH spaltete sich nämlich durch Pfeiffers Lügen.

Im Februar sind Pfeiffer und Jutta Schröder dann liiert, Schröder ist Barschels Sekretärin und diese hat eine gute Freundin die ebenfalls Sekretärin ist, nur das sie in der SPD Zentrale sitzt. Später wird Schröder sich fragen ob die Gefühle von Pfeiffer für sie echt waren oder ob er sie nur als Botin für die SPD und als Alibi ausgenutzt hat, denn er beklagte sich vor ihr mehrmals darüber was er für Barschel machen muss und das er das ja eigentlich gar nicht tun will. Laut eigenen Angaben jedenfalls wollte Pfeiffer ab Februar nicht mehr bei Barschels Wahlkampf in der Form mitmachen und sammelte daher Beweise.

Am 22.April holte er sich erste Erkundigungen in Bremen ein mit wem er bei der SPD Kontakt aufnehmen könne. Dafür das er Barschel aber so schlimm fand spielte er seine Rolle vor diesem sehr gut weiter, am 1.Mai 87 jedenfalls war er von Mittag bis Abends bei Barschel im Privathaus Glaubt man Pfeiffer hat er Barschel an diesem Tag eine vorgetäuschte Entführung ausgeredet, dieser wollte sich entführen lassen, um dann schließlich an einem Baum angebunden im Wald entdeckt zu werden. Das gleiche war in den 70er Jahren mal einem Politiker passiert der von der Bewegung 2.Juni entführt worden war und den man im Austausch gegen Gefangene so frei ließ. Dennoch eine irgendwie undurchdachte Räuberpistole.
Barschel hingegen behauptete in einem Gespräch mit einem Kollegen das an diesem Tag Pfeiffer deutlich gemacht hätte das er im nächsten Kabinett bedacht werden wolle. Innenminister oder ähnliches, dies aber lehnte Barschel komplett ab, er wollte Pfeiffer nur für den Wahlkampf. Glaubt man der Barschelversion könnte dieser 1.Mai durchaus als Bruch angesehen werden, schließlich musste Pfeiffer hier sehen das er die Drecksarbeit machte, nach der Wahl aber wieder entbehrbar war.

Am 31.Mai war dann der Flugzeugabsturz von Barschel, eine Zeit bis August, in der Pfeiffer keinen ungestörten Kontakt mehr zu Barschel hatte.
Pfeiffer hatte mit Nilius, dem Pressesprecher der SPD in dieser Zeit Kontakt aufgenommen, laut Nilius am 16.Juli, Pfeiffer behauptet aber das es auf jeden Fall vor dem 16 schon ein Treffen der beiden Männer gegeben hätte. Jedenfalls spielte Pfeiffer Nilius einen bewegenden Brief aus dem Büro des Ministerpräsidenten zu, hier erhob die Pilotenwitwe des abgestürzten Flugzeuges schwere Vorwürfe gegen Barschel. Nilius leitete diesen Brief weiter an den Stern welcher ihn auch veröffentlichte.
Mitte Juli kam auch Engholm ins Spiel, denn dieser stellte Nachforschungen an was es mit der Steueranzeigen und der Observation auf sich hatte, am 2.August erkundigt er sich auch direkt beim Finanzamt nach der Steueranzeige.
Die SPD ließ nicht locker, schließlich hatte man etwas gegen die politischen Feinde (und scheinbar war es in dieser Zeit im Wahlkampf wirklich Feindschaft) in der Hand. Am 1.September setzt sich Nilius mit dem Spiegel in Verbindung, die Zeitschrift lässt sich auch nicht lange bitten und schon am 7. September erscheint ihr neues Heft mit dem Artikel ‚Spitzel gegen Spitzenmann’, Pfeiffer wird hier noch nicht erwähnt.
Am gleichen Abend treffen sich Nilius, Pfeiffer nochmals. Es sind auch noch der Landesvorsitzende der SPD Günther Jansen und der Rechtsanwalt und ehemalige SPD Bürgermeister Peter Schulz anwesend. Pfeiffer informiert beide darüber was alles gelaufen war in Barschels Namen und Schulz setzt sich mit Engholm in Verbindung, spätestens jetzt weiß Engholm also über die Aktionen von Pfeiffer gegen ihn Bescheid, wobei es ja Hinweise gibt das Engholm durchaus schon vorher etwas gewusst haben könnte.
Am 8-9 September vermittelt Nilius Pfeiffer an den Spiegel, Pfeiffer will 250.000 Mark für seine Informationen haben. Am 9. September nimmt Schulz von Pfeiffer eine eidesstaatliche Versicherung zu den Vorgängen auf und am Mittag trifft man sich dann mit dem Spiegel.
Da der nächste Spiegel erst am 14 September erscheint und die Wahl schon am 13 ist kommt die Geschichte nicht mehr ganz rechtzeitig, aber am 12 berichtet der NDR über die Titelgeschichte des Spiegels. Pfeiffer hat übrigens 165.000 Mark vom Spiegel erhalten, die Nachricht schlägt aber ein wie eine Bombe. 42,6% erhält die CDU, die SPD kommt bei der Wahl auf 45,2% eine Sensation, war Schleswig-Holstein doch seit Jahren fest in der Hand der CDU.

1993 sorgte diese ganze Geschichte dann noch einmal für mächtig Wirbel und ließ Köpfe rollen. Das ganze wurde bekannt unter dem Namen ‚Schubladenaffäre’, in einem Interview hatte eine ehemalige Lebensgefährtin (für Jutta Schröder habe ich keine Quelle gefunden) von Pfeiffer in einem Sterninterview von Zahlungen berichtet die Pfeiffer von der SPD bekommen habe.
Günther Jansen machte auf dieses Interview hin ein Geständnis und in seiner Version fand Pfeiffer keine Anstellung mehr als Journalist, in dieser Notlage sammelte Jansen bei Parteifreunden Geld und bewahrte dieses dann in einer Küchenschublade auf, bevor er es bei zwei Treffen Pfeiffer in einem Briefumschlag übergab. Hierbei handelte es sich um die stattliche Summe von 50.000 DM die Jansen gesammelt hatte und in seiner Kühe für Pfeiffer lagerte.
Das ganze hört sich natürlich schon ein wenig unlogisch an, wer sammelt denn 50.000DM für einen Fremden? Pfeiffer hatte schließlich 165.000 Mark vom Spiegel bekommen und so gute Freunde waren Jansen und Pfeiffer wohl nicht geworden. Die CDU vermutete daher das die SPD Pfeiffer bei Barschel eingeschleust hatte um Barschel zu Fall zu bringen.
Ein Untersuchungsausschuss konnte jedoch keine Anhaltspunkte dafür finden dass das Geld von der SPD kam, klar wurde jedoch das rein praktisch die zweimal 25.000 Mark in Scheinen nicht in Jansens Küchenschublade gepasst hätten, es bleiben daher natürlich berechtigte Zweifel an Jansens Version. 
Auch wenn der Untersuchungsausschuss in der Frage ergebnislos blieb brachte er doch anderes ans Licht, nämlich das die SPD lange vor der Landtagswahl 1987 über Engholms Bespitzelung informiert gewesen war und über Gegenmaßnahmen beraten hatte. Bisher war dies so nicht bekannt gewesen und auch immer bestritten worden, auch vor dem damaligen Untersuchungsausschuss in der Barschel-Affäre. Somit hatten sich der damalige SPD-Pressesprecher Klaus Nilius sowie Björn Engholm des Meineides schuldig gemacht da sie vor dem Ausschuss gelogen hatten. Der Sozialminister Günther Jansen trat daraufhin am 23. März 1993 zurück, Engholm folgte am 3.Mai gleichen Jahres und war ab da auch nicht mehr im Gespräch Kanzlerkandidat zu werden.
Der Vorsitzende des Ausschusses Hans Werner Ahrens (SPD) hält die Zahlungen an Pfeiffer für Schweigegeld, damit dieser nicht die Mitwisserschaft der SPD Spitze ausplaudert, tja dumm gelaufen wenn es so war.


Der letzte Stand des Untersuchungsausschusses im Dezember 1995 ist das man Barschel nicht nachweisen kann das er von Pfeiffers Machenschaften wusste, somit ist er zwar nicht Schuld frei gesprochen, aber man kann ihm eben auch nicht nachweisen das er irgendetwas gemacht hat, dadurch ist auch sein Ehrenwort eventuell durchaus als Ehrenwort zu werten und nicht als dreiste Lüge.


Abschluss
Wow, es ist dann doch umfangreicher geworden als ich gedacht hatte, dafür das ich nur ein Wagner Steinofenpizzabild gesehen habe über das ich nen dummen Spruch reißen wollte, sind es nun 10 Word Seiten geworden die den Fall noch mal nachzeichnen. Irgendwie kam eines zum anderen, will man über den Fall Barschel schreiben kommt man einfach zwangsläufig zu Waffengeschäften, der DDR und das macht das ganze Thema kompakt und etwas unübersichtlich.

Aber was ist nun meine Meinung, Mord oder Tötung auf Verlangen? Relativ klar ist wohl das keiner in dieser ganzen Geschichte eine so reine Weste hatte wie er vorgab. Auch das Barschel wohl ein Doppelleben hatte ist durchaus möglich, seine DDR Besuche sprechen dafür, aber war er wirklich ein Waffenhändler? Vor allem aber würde man, wenn man im freien Fall nach unten ist wirklich eine Seite erpressen und nicht erstmal versuchen sich politisch einigermaßen zu retten?

Auch die Machenschaften von Pfeiffer passen nicht so ganz ins Bild. Engholm mag ein Angstgegner für Barschel gewesen sein, aber ein gebildeter Mann wie Barschel, der etwas Grips im Kopf hat würde kaum so handeln oder? War er so Macht besessen und tablettenbetäubt das sein Urteil schon getrübt war?
Das der Wahlkampf eine Schlammschlacht war, ist klar, die CDU verteilte Flugblätter die Engholms und die Ansichten der SPD zugespitzt darstellten, zum Beispiel sollte Abtreibung bis zur Geburt laut der SPD erlaubt und Sex mit Kindern straffrei werden, aber ging Barschel so weit das er einem Mann den er nicht kannte und der einen windigen Ruf hatte komplett vertraute und ihm sinnlose Aktionen durchführen ließ, die durchaus auf ihn zurück fallen konnten? Warum wurden die Aktionen schon im Februar gemacht und nicht während der Wahl? Wäre eine Anzeige wegen Steuerhinterziehung da nicht sinnvoller gewesen? Überhaupt, Barschel war, bevor er Ministerpräsident wurde Finanzminister, würde jemand mit dem Wissen was er hatte eine dilettantische, anonyme Anzeige verfassen, die mit recht offensichtlichen Fehlern behaftet und somit absolut unwirksam war? Und würde jemand der all das gemacht hat, der befürchten muss das es Beweise gegen ihn gibt sich vor laufende Kameras setzen und sein Ehrenwort geben? Dreist in die Kamera lügen? Oder war es Barschel bewusst das man Pfeiffer zwar Dinge nachweisen konnte, ihm jedoch nicht.
Ich bin mir tatsächlich unsicher, einen normalen Selbstmord schließe ich allerdings aus. Es muss noch jemand da gewesen sein, ob dieser jemand aber nun nur geholfen hat oder aber ein Mörder war wird man nie heraus bekommen. Die Selbstmordthese wird unterstützt durch die Art des Todes, die Barschel durchaus aus Sterbehilfefällen aus Büchern, die man in seinem Haus in Schleswig-Holstein fand, kannte. Ich denke das er nicht so schuldfrei war wie seine Familie ihn nun gerne hinstellen würde, glaube aber auch das er nicht exakt wusste wie weit Pfeiffer ging. Es kam alles zusammen und dadurch gab es letztlich den großen Knall. Ob das nun in die eine oder andere Richtung geht vermag ich nicht zu sagen, da sollte sich jeder sein eigenes Bild machen.

Diese Artikel habe ich hauptsächlich als Quellen genutzt, jedoch nicht nur, auch andere Beiträge aus dem Netz waren hier und da hilfreich:
Der Spiegel – 41/2007
Der Spiegel – 42/2007
Kieler Nachrichten 8. September 2007
Kieler Nachrichten 15. September 2007
Kieler Nachrichten 22. September 2007
Kieler Nachrichten 29. September 2007
Kieler Nachrichten 6. Oktober 2007
Kieler Nachrichten 20. Oktober 2007

Wikipedia – Die freie Enzyklopädie

Youtube Videointerview in 6 Teilen 'Der Doppelmord an Uwe Barschel'

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