Freitag, 5. November 2010

Todesspiel

Hab ich schon mal erwähnt das Geschichte neben Bio in der Schule mein Lieblingsfach war? Ich glaube nicht, ihr seid also um ein Wissenspunkt reicher was mich angeht. Die deutsche Geschichte kann auch durchaus interessant sein und damit meine ich keine Weltkriege und Nazispinner. Aktuell spreche ich vom deutschen Herbst, wer nun sagt dass dieser ja jedes Jahr ist hat in Geschichte nicht aufgepasst, denn es geht natürlich um die raf (Rote Armee Fraktion). Im Jahr 1997 kam dazu ein zweiteiliger Dokufilm ins Fernsehen mit dem Titel Todesspiel, um diesen geht es in diesem Beitrag.

SPOILERANFANG

September 1977, der Anfang vom Ende, Hanns Martin Schleyer wird am helllichten Tag aus seinem Auto geholt und entführt. Seine Bodyguards werden alle erschossen, Schleyer selbst in ein Kofferraum gesperrt und in eine Kölner Wohnung gebracht. Hier wird er erstmal in einen Schrank gesperrt, die Aktion der raf ist geglückt. Sie haben den Arbeitergeberpräsidenten in ihrer Gewalt. Schleyer ist ein bekannter Mann aus der Wirtschaft, außerdem war er im Krieg in der SS, also genau das was die raf verteufelt, die alten Nazis die ungeschoren davon kamen. Das ganze schlägt natürlich hohe Wellen, ein Krisenstab wird gebildet und Kanzler Schmidt hat es wirklich nicht leicht. Sein schnell gebildeter Krisenstab wird aber von den Entführern unterschätzt. Anders als 1975 bei Peter Lorenz ist man nicht bereit auf die Entführer einzugehen, diese Fordern die Freilassung von raf Mitgliedern, unter anderem Andreas Baader und Gudrun Enslin.
Horst Herold, ein Mann der Präsident des Bundeskriminalamtes war von 1971-81, hatte schon vorher gute Erfolge in Bezug auf der Bekämpfung der raf, er ist in der Lage sich in die Entführer hineinzuversetzen, zu denken wie sie. Er ist der Ansicht das man Schleyer noch im  kölner Raum gefangen hält, in einem Wohnblock mit Tiefgarage, nahe einer Autobahn. Der Kandidat hat 100 Punkte, aber trotz dieser Vermutung und auch Hinweisen die exakt auf das Versteck hindeuten gelingt es der Polizei nicht Schleyer zu finden. Um den Druck zu erhöhen drehen die Erpresser Videos von Schleyer, hier muss er die Forderungen der Terroristen stellen, um Einlenken der Regierung bitten und als Zeichen das er noch lebt Artikel aus der Tageszeitung vorlesen. Der Kanzler selbst kommuniziert über die Tagesschau mit den Entführern. Er spielt auf Zeit, je mehr Zeit man hat umso wahrscheinlicher ist es das man Schleyer findet, eines steht für ihn fest, er wird Deutschland nicht erpressbar machen, Baader und Co werden in Haft bleiben, egal was passiert.
Diese Haltung wird auf eine sehr harte Probe gestellt, denn nach guten 5 Wochen hat man Schleyer noch immer nicht, ganz im Gegenteil, die Entführer hatten genug Zeit, Schleyer ins Ausland zu verschleppen, er könnte überall sein, sein Aufenthaltsort ist nun Brüssel.
Die Situation verschärft sich als eine Terrorgruppe der Volksfront zur Befreiung Palästinas einen Urlaubsflieger aus Mallorca entführt und die gleichen Forderrungen stellt: Lasst Baader frei!. Eine Odyssee beginnt, Italien ist froh als das Flugzeug, welches in Rom landete wieder weg fliegt, sehr zu Schmidts Ärger der nicht wollte das man es ziehen lässt. In Arden macht es einen weiteren Stopp, da der Kapitän auf der Flugbahn verschwindet und erst wieder kommt als man mit der Erschießung der Geiseln droht, kommt es zum ersten richtigen Eklat. Als der Kapitän wieder an Bord ist wird dieser erschossen, er wird erschossen im Gang liegen gelassen bis er anfängt zu stinken. Der Co-Pilot fliegt weiter nach Süden und landet in Mogadischu. Einletztes Ultimatum wird gestellt, sollte auch dieses, wie schon die vorherigen, verstreichen wird man das Flugzeug sprengen. Auch hier hatte man von Regierungsseiten auf Zeit gespielt, das Ultimatum verstreicht, die Passagiere werden mit dem Alkohol der sich an Bord befindet übergossen, damit sie schneller verbrennen. In letzter Sekunde kommt jedoch die Entwarnung: Deutschland lässt die inhaftierten Terroristen frei!
In Wirklichkeit bleiben Baader und die anderen Versager aber in Haft, ein letztes mal blufft die Regierung um Zeit zu erkaufen. Die GSG 9 ist schon vor Ort und bereitet ihren Einsatz vor, sie stürmen das Flugzeug, welches günstiger Weise genau das ist an dem sie exakt diese Art von Einsätzen geübt haben. Bis auf eine Frau kommen alle Geiselnehmer dabei ums Leben, keinem Passagier passiert etwas, die Entführung hatte also ein relativ glimpfliches Ende. Nicht so Schleyer, in der folgenden Nacht, als man in den Nachrichten von der Befreiung der Landshut hört, bringen sich die Gefangenen im stammheimer Gefängnis um. Schleyer wird in einen Wald gefahren und durch mehrere Schüsse in den Hinterkopf getötet, seine Leiche findet man 2 Tage später in Frankreich. Der Film endet mit der Beerdigung von Schleyer.
SPOILERENDE

Ich hab mich ja echt schwer getan hier ein Spoileranfang und Ende zu setzten, das ganze ist kein Gangsterfilm sondern eine Dokumentation über etwas was tatsächlich geschehen ist. Die Machart ist wirklich gut es gibt Schauspieler die Ähnlichkeit haben mit den Originalfiguren, diese spielen Szenen nach, dann gibt es Originalaufnahmen die immer mal einfließen, etwa Tagesschauaufnahmen von Kanzler Schmidt und dem Geschehen, außerdem kommen ab und an noch Fotos hinzu und Betroffene erzählen aus ihrer Sicht das gerade gesehene. Gerade im zweiten Teil kann man hier gut die Schrecken und Leiden der Geiseln in der Landshut nachvollziehen. Neben den Geiseln kommen aber noch andere Leute in den zwei Teilen zu Wort und das macht die ganze Sache noch um einiges interessanter. Neben Alt Kanzler Schmidt (der einen sehr gelangweilten bis arroganten Eindruck bei mir hinterlässt) kommen Angehörige wie die Witwe von Schleyer zu Wort aber auch seine Söhne, andere Angehörige des Krisenstabes aus Bonn erzählen ihre Sicht, aber auch Klaus Peter Brook und eine weitere Entführerin von Schleyer erzählen ein wenig von den Geschehnissen, ebenso wie die einzige überlebende Entführerin der Landshut. Sie gibt sich im Interview sehr reumütig, während sie von den Passagieren als ausgesprochen mies während der Geiselnahme beschrieben wird. Ich persönlich kann den Groll gegen sie durchaus nachvollziehen, die gute Dame hat für die Geiselnahme nur 4 Jahre gesessen und lebt nun unbehelligt in Norwegen.
Rückblickend ist Schleyer übrigens durch eine Ermittlungspanne nicht befreit worden, es gab Hinweise auf das erste Versteck der Bande, nur wurden diese nicht weitergeleitet. Als er dann ins Ausland gebracht wurde war es fast unmöglich ihn noch aufzuspüren, er konnte überall sein.

Hat Schmidt richtig gehandelt?
Nicht unbedingt der sympathischste Interviewpartner...
Das ist die Frage die man sich wohl schon damals immer gestellt hatte. Sowohl bei der Entführung von Hanns Martin Schleyer, als auch bei der Entführung der Landshut. Man spielte auf Zeit und ging nicht auf die Terroristen ein, als Baader und Co von der Befreiung erfuhren muss ihnen klar gewesen sein das man auch bei Schleyer nicht nachgeben würde. Nach ihrem Selbstmord war dann auch sofort klar dass man Schleyer nun auch nicht mehr lebend finden würde, tatsächlich wurde er von hinten mit Kopfschüssen getötet, man fand seine Leiche zwei Tag nach dem Selbstmord von Baader in Stammheim in einem Kofferraum in Frankreich.
Nur wie hätte man reagieren müssen? Letztlich war es wirklich nicht mehr als Glück dass kein Passagier im Flugzeug zu Schaden kam. Persönlich möchte ich da nicht in Schmidts haut gesteckt haben. Man hat die Verantwortung über 90 Menschen, entweder man gibt den Entführern was sie wollen oder aber man geht in den Kampf und riskiert deren Leben. So schwer es für die Einzelschicksale sein mag, also für Familie Schleyer oder die des getöteten Flugzeugkapitäns, Schmidt hat richtig gehandelt. Wäre er eingeknickt, wäre der Staat erpressbar gewesen, das würde heißen das andere Terroristen ebenfalls ihre Forderungen mit Gewalt versuchen würden zu lösen. So hat man ein klares Zeichen gesetzt; der Staat kann keine einzelnen Menschen schützen wenn das Wohl des ganzen Landes auf dem Spiel steht, denn die Bedrohung durch den Terror wäre mit der Erfüllung der Bedingungen nur verstärkt worden. Man mag von Schmidt also halten was man will in diesen sechs Wochen die ja fast so etwas wie das Finale des deutschen Herbstes waren hat er richtig gehandelt.

Die DVD Ausstattung des Films ist auch gelungen, beide Teile auf einer DVD, als Extra gibt es noch Schmidts Interview in voller Länge zu sehen. Der Film hat dann auch so ziemlich alles gewonnen was man in Deutschland gewinnen kann. Sei es der deutsche Fernsehpreis oder Bambi, ok nur den Bravo-Otto glaub ich nicht...
Zu den Schauspielern noch ein Wort, hier machen besonders der Darsteller von Helmut Schmidt, aber auch Hans Brenner als Hanns Martin Schleyer ihre Sache sehr gut.
Etwas Kritik kann aber nie Schaden, trotz der wirklich guten Machart und den vielen Stimmen die zu Wort kommen erfährt man meiner Meinung nach zu wenig über die erste Generation der raf, sowie ihre Standpunkte. Warum sitzen sie im Knast? Warum versucht jemand sie frei zu pressen? Warum haben die Kontakte zu einer Terrorgruppe aus Palästina?
Klar, man kann sagen dass hier eben die Entführung von Schleyer gezeigt wird und der Schwerpunkt genau auf dem liegt, um ein richtiges Bild zu haben finde ich kamen diese Informationen aber viel zu kurz. Da hat es 10 Jahre später die Verfilmung ‚Der Baader Meinhof Komplex’ viel besser gemacht. Auch hier wurde der Schwerpunkt gelegt, aber die Sachen die von diesem Schwerpunkt abweichen werden auch angerissen (etwa Schleyers Entführung oder die Befreiung der Landshut in Mogadischu).
Auch wenn im Film ehemalige Terroristen zu Wort kommen, mir fehlt ein wenig die Einsicht in die raf Seite. Alle Terroristen werden von den Passagieren verteufelt, sicher nach dem traumatischen Erlebnissen völlig zu Recht, aber wäre es da nicht die Aufgabe der Filmemacher gewesen hier auch mal die andere Seite etwas näher zu zeigen? Der Film ist fast ausschließlich aus Sicht der Opfer und raf-Gegner gezeigt. Schmidt, Schleyer, Geiseln im Flugzeug, das drückt meiner Meinung nach dem ganzen Geschehen einen etwas einseitigen Stempel auf.

Fazit: Wer sich für das Thema interessiert macht hier keinen Fehler, wenn er sich Todesspiel zulegt. Von mir gibt es auch 7 von 10 Punkten. Als Tipp, während es hier um die Entführung von Schleyer geht könnte man als Ergänzung noch den Film Mogadischu sich ansehen, die Flugzeugentführung wird zwar auch ausreichend hier im zweiten Teil gezeigt, ich finde den Film aber gelungener wenn man nur die Landshutgeschichte sehen möchte. Für mehr Informationen sei einem der Baader-Meinhof Komplex ans Herz gelegt. Hier wird recht ausführlich auf die erste Generation der raf eingegangen, mag man diesen Film ist Todesspiel und Mogadischu eine prima Ergänzung.


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